* 31 *
Keiner sah die Ankunft der Plünderer an diesem Morgen – Jenna, Beetle und Septimus schliefen tief und fest in ihrem Unterstand. Die dicke Schicht Gras, die Septimus über die Plane gelegt hatte, hatte verhindert, dass die warme Sonne sie geweckt hatte, und so waren sie erst kurz vor Mittag aufgestanden.
Es herrschte Ebbe. Beetle war durch das zurückweichende Wasser zu einem großen Felsen mit flacher Kuppe gewatet, den er zu seinem Angelplatz erkoren hatte, und hatte innerhalb einer halben Stunde drei von diesen schwarzen und silbrigen Fischen an Land gezogen, die ihnen am Tag zuvor so gut geschmeckt hatten. In der Zwischenzeit hatte Septimus am Strand mit Treibholz das Feuer wieder entfacht, und jetzt drehte er die Fische langsam über der Glut. Beetle malte unterdessen mit dem Wasserzwerg müßig im Sand, und Jenna stand da und blickte mit gerunzelter Stirn aufs Meer.
»Das ist aber seltsam«, sagte sie.
»Eigentlich sollte das der Schlitten des Zaubererturms werden«, erwiderte Beetle. »Aber das Wasser sprudelt immer weiter, und die Linien werden ganz komisch.«
»Nein, nicht was du da malst, Beetle. Da draußen.« Jenna deutete aufs Meer hinaus. »Sieh doch ...«
»Was?«, fragte Beetle, der leicht kurzsichtig war.
»Der Leuchtturm«, sagte sie. »Er ist dunkel.«
»Ja«, sagte Beetle, der gerade versuchte, die Schlittenkufen im Sand richtig hinzubekommen. »Man bestreicht sie mit Teer. Das soll verhindern, dass Meerwasser in die Ziegelsteine eindringt.«
Septimus stand auf und beschattete seine Augen. »Das Leuchtfeuer ist aus«, sagte er.
»Das habe ich gemeint«, erwiderte Jenna.
»Aber wieso?«
»Vielleicht ist die Sonne zu hell...«
»Möglich ...«
Zu dem Fisch aßen sie wieder Marcias Dauerfrischbrot und tranken Jennas heiße Schokolade. Beetle hatte Lust, einen größeren Fisch zu fangen.
»Da drüben ist das Wasser richtig tief«, sagte er und deutete auf die Zinne. »Ich wette, dort gibt es große Fische. Würde mich interessieren, was ich dort rausholen kann. Möchte jemand mitkommen?«
»Ich komme mit«, antwortete Jenna.
»Sep?«
Septimus schüttelte den Kopf. »Nein, lieber nicht.«
»Komm doch mit, Sep«, drängte Jenna. »Du bist noch nirgends gewesen.«
»Nein, Jenna«, lehnte Septimus mit leichtem Bedauern ab. »Ich glaube, ich bleibe besser bei Feuerspei. Es scheint ihm nicht besonders zu gehen, und heute Morgen hat er nicht einmal einen Schluck Wasser getrunken. Aber geht ihr beide nur.«
»Na gut, Sep«, sagte Jenna. »Wenn du dir sicher bist...«
Septimus war sich sicher, dass er Feuerspei nicht allein lassen sollte, aber er war sich nicht so sicher, ob er selbst wieder allein gelassen werden wollte. Aber das, so sagte er sich, war einfach nur albern. »Ja, ich bin mir sicher. Ich bleibe gern bei Feuerspei.«
Septimus sah zu, wie Jenna und Beetle rasch den Strand entlanggingen. Am Ende der Bucht kletterten sie auf die Felsen und winkten. Septimus winkte zurück, und dann sprangen sie auf der anderen Seite hinunter und entschwanden seinem Blick. Septimus wandte sich ab, um nach Feuerspei zu sehen.
Zuerst untersuchte er den Schwanz des Drachen. Die Wärmemäntel hatten sich dunkel verfärbt, fühlten sich steif an und klebten an den Schuppen fest. Septimus wusste nicht recht, was er tun sollte. Er fürchtete, dass er dem Drachen mehr schadete als half, wenn er sie wegriss, und so beschloss er, sie nicht anzurühren. Er schnupperte. Irgendetwas roch nicht besonders gut, aber wahrscheinlich war das das Seegras, das er auf die Wunde gelegt hatte. Wenn der Geruch bis zum Nachmittag schlimmer wurde, wollte er nachsehen.
Am Eimerende sah es nicht viel besser aus. Feuerspei hatte die Augen fest geschlossen, und sosehr ihn Septimus auch anstupste und anflehte, doch endlich aufzuwachen und etwas zu trinken, der Drache reagierte nicht. Septimus hoffte, dass er nur wegen des Eimers auf seinem Kopf schmollte, aber ganz sicher war er sich seiner Sache nicht. Er fand, dass Feuerspeis Atem etwas mühsam ging, und fragte sich, ob ihm vielleicht zu heiß war, aber die Felsen spendeten ausreichend Schatten und seine Schuppen fühlten sich ziemlich kühl an. Septimus nahm den Wasserzwerg zur Hand, zog Feuerspeis Unterlippe ein wenig nach vorn und träufelte ihm etwas Wasser ins Maul. Er vermochte allerdings nicht zu sagen, ob der Drache auch wirklich etwas schluckte, denn einiges tröpfelte wieder heraus und hinterließ dunkle Flecken auf den Felsen. Traurig setzte Septimus sich hin, streichelte dem Drachen die Nase und murmelte: »Du wirst wieder gesund, Feuerspei, ganz bestimmt. Und ich werde dich nicht allein lassen, bis es dir wieder besser geht, das verspreche ich.«
Plötzlich vernahm er hinter sich in den Dünen ein Geräusch. Er sprang auf. »Komm heraus, wo immer du auch sein magst«, rief er, allen Mut zusammennehmend, und ließ den Blick über die vermeintlich verlassenen Dünen gleiten. Er schloss die Augen halb – was für magisches Sehen allemal besser war, wie Marcia immer betonte –, und dort, nicht weit entfernt in den Dünen, sah er tatsächlich etwas. Ein Mädchen – er war sich sicher, dass es ein Mädchen war – in Grün.
Als wüsste sie, dass sie entdeckt war, kam sie auf ihn zu. Er beobachtete, wie ihr Kopf zwischen den Dünen auf und ab wippte, und als sie aus dem Schutz der letzten Düne auf den Strand trat, sah Septimus ein groß gewachsenes mageres Mädchen vor sich, das ein zerlumptes grünes Gewand und keine Schuhe trug.
Septimus ging um Feuerspeis Eimer herum und sprang hinab in den Sand. Das Mädchen schritt langsam auf ihn zu, und als sie näher kam, erkannte er, dass sie eine altmodische Lehrlingstracht trug aus jener Zeit, als man sie noch mit magischen Symbolen bestickte. Zwei verblasste lila Streifen an den Ärmelsäumen verrieten, dass sie Oberlehrling war wie er. Ihr dünnes und strähniges dunkles Haar rahmte ein verhärmtes Gesicht voller Sommersprossen. Septimus hätte schwören können, dass er sie schon einmal gesehen hatte – aber wo?
Das Mädchen blieb vor ihm stehen. Ihre grünen Augen musterten ihn ein wenig ängstlich, und dann machte sie eine kurze, förmliche Verbeugung, mit der sich, wie ihm plötzlich wieder einfiel, Lehrlinge in der Zeit des Marcellus immer gegenseitig begrüßten. »Septimus Heap«, sagte sie.
»Ja?«, erwiderte er misstrauisch.
»Wir sind uns ... schon einmal begegnet. Es ist... schön ... dich wiederzusehen.« Sie sprach stockend, als sei sie etwas aus der Übung.
»Wer bist du?«, fragte er.
»Ich bin ... Syrah. Syrah Syara.«
Der Name kam ihm bekannt vor. Nur woher?
»Du erinnerst dich wohl nicht an mich?«, fragte sie.
»Irgendwie schon, nur ...«
»Im Zaubererturm?«, half ihm das Mädchen auf die Sprünge.
Genau! Septimus erinnerte sich an die Bilder, die er kurz vor seiner Flucht aus dem belagerten Zaubererturm an den Wänden in der Halle gesehen hatte – besonders an das eine von dem Mädchen, das nach Tertius Fume schlug. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Das war doch nicht möglich – der Vorfall lag Jahrhunderte zurück.
»Ich hatte dich begrüßt«, sagte das Mädchen.
»Mich begrüßt?« Nun war Septimus vollends verwirrt.
»Ja. Darum weiß ich, wer du bist. Du bist... der Alchimielehrling, der auf rätselhafte Weise verschwunden ist. Aber ich beglückwünsche dich. Wie es scheint, bist du zurückgekehrt und hast meinen Platz bei Julius eingenommen.«
»Julius?«, fragte Septimus verdutzt.
»Julius Pike, dein jetziger Außergewöhnlicher Zauberer.« Syrah seufzte wehmütig. »Ach, was würde ich darum geben, wenn ich den lieben Julius noch einmal sehen könnte.«
Septimus hatte das Gefühl, dass seine ganze Welt in Scherben ging. Was redete das Mädchen da – dass er wieder in jener Zeit sei? Er zwang sich, Ruhe zu bewahren. Er sagte sich, dass nichts geschehen war, was auch nur entfernt darauf hindeutete, dass er wieder in der Zeit zurückgereist war, es sei denn ... es sei denn, der Sturm hatte etwas damit zu tun ... oder der merkwürdige Leuchtturm, den sie beinahe gerammt hätten ... oder vielleicht sogar der Blitzschlag? Ob man ... ob man, wenn man einmal in einer anderen Zeit war, irgendwie dorthin zurückgezogen werden konnte, ohne es zu merken? Nein, sagte er sich, das war unmöglich. Es gab nur eine Erklärung: Syrah war ein Geist. Ein sehr körperlich aussehender Geist, gewiss, aber das Inselleben schien Geistern gut zu bekommen.
»Du besitzt einen Drachen«, sagte Syrah.
»Ja«, erwiderte Septimus.
»Ich muss dir ein Geständnis machen. Ich habe dich und deinen Drachen beobachtet.«
»Ich weiß. Warum bist du nicht einfach zu mir gekommen und hast guten Tag gesagt?«
Syrah gab darauf keine Antwort und sagte stattdessen: »Der Kopf deines Drachen steckt in einem Eimer. Du solltest ihm den Eimer abnehmen.«
»Auf keinen Fall«, sagte Septimus. »Es war schwer genug, ihm das Ding aufzusetzen.«
»Du hast ihm den Eimer selbst aufgesetzt? Das ist aber sehr grausam.«
Septimus seufzte. »Mein Drache hat eine schwere Verletzung am Schwanz. Der Eimer soll verhindern, dass er in den Verband beißt.«
»Ach so, ich verstehe. Ich hatte mal eine Katze, und ...«
»Ach ja?«, sagte Septimus ein wenig schroff. Er wollte, dass Syrah wieder ging. Geist oder nicht, ihr Gerede über Marcellus und Julius Pike machte ihn ganz nervös. Er suchte mit den Augen die weiter entfernten Felsen ab, in der Hoffnung, Jenna und Beetle zu entdecken und von ihnen in die Gegenwart zurückgeholt zu werden – wo steckten sie nur?
Doch Syrah machte keine Anstalten zu gehen. Sie schien von Feuerspei fasziniert. Sie kletterte auf die Felsen und ging langsam um ihn herum. Septimus ärgerte sich darüber.
»Er braucht Ruhe«, sagte er zu ihr. »Er darf nicht gestört werden.«
Syrah blieb stehen und sah ihn an. »Dein Drache liegt im Sterben.«
»Was?«, stieß Septimus hervor.
»Sein Schwanz riecht nach der stinkenden Schwarzfäule.«
»Ich dachte, der Geruch käme von dem Seegras.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es ist die Fäule. Sie wird der Grund sein, warum er ihn abzubeißen versucht. Ein Drache kennt sich mit solchen Dingen aus.«
»Nein ...« Aber Septimus wusste, dass Syrah recht hatte.
Sie legte ihm die Hand auf den Arm. Ihre Berührung war warm und freundlich, und sie entsetzte Septimus – sie lebte. Aber wenn Syrah lebte, in welcher Zeit waren sie dann? Er war so erschüttert, dass er zunächst nicht begriff, was sie zu ihm sagte. »Septimus«, sagte sie, »ich kann deinem Drachen das Leben retten.«
»Tatsächlich? Oh, danke, danke.« Ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit durchflutete ihn.
»Aber nur unter einer Bedingung.«
»Ach«, machte Septimus, und sein Mut sank wieder.
»Ich möchte, dass du als Gegenleistung etwas für mich tust. Und ich muss dir sagen, dass es gefährlich ist.«
»Um was geht es denn?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
Septimus begegnete ihrem ruhigen Blick. Er wusste nicht, was er von diesem Mädchen halten sollte, das ihn mit derselben Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung ansah, die er selbst in diesem Augenblick empfand.
»Und wenn ich nicht tun möchte, was du von mir verlangst, wirst du Feuerspei dann trotzdem retten?«
Syrah holte tief Luft. »Nein«, antwortete sie.
Septimus betrachtete Feuerspei – seinen großen, unordentlichen, eigensinnigen, tollpatschigen Drachen, den er aus seinem Ei hatte schlüpfen sehen, einem Ei, das Jenna ihm geschenkt hatte. Seinen schusseligen, nimmersatten, launischen Drachen, der die Mäntel fast aller Gewöhnlichen Zauberer im Zaubererturm gefressen hatte, der Marcia vor ihrem Schatten gerettet und mit ihrem Teppich unaussprechliche Dinge angestellt hatte – seinen wunderschönen Drachen, der jetzt im Sterben lag. Tief in seinem Innern hatte er es schon den ganzen Vormittag geahnt, seit Feuerspei das Trinken verweigert hatte. Er schluckte schwer. Er konnte Feuerspei nicht sterben lassen, er konnte nicht. Wenn auch nur eine klitzekleine Chance bestand, dass Syrah ihn rettete, musste er sie nutzen. Ihm blieb nichts anderes übrig.
»Ich werde tun, was du verlangst«, sagte er, »wenn du nur Feuerspei rettest. Ganz gleich, was es ist, ich werde es tun. Nur mach Feuerspei wieder gesund. Bitte.«
Syrah ging zügig und sachkundig ans Werk. Sie wickelte den Verband ab, und als der letzte Fetzen des zerlumpten Wärmemantels abfiel, taumelte Septimus zurück. Der Gestank nach faulendem Fleisch war überwältigend. Die Wunde schwamm in Glibber. Die Knochen waren als mattgelbe Inseln in einer grünschwarzen Schmiere zu erkennen, und zuvor noch gesunde Schuppen fielen ab wie welkes Laub und gaben den Blick auf noch mehr verdächtig weiches schwarzes Fleisch darunter frei. Abgesehen von seinem Schock über Feuerspeis Zustand, war Septimus auch beschämt über das Versagen seiner Heilkünste.
Syrah las in seinem Gesicht, was in ihm vorging. »Ich weiß«, sagte sie, »dass Marcellus dich in den Heilkünsten unterwiesen hat, und ich bin überzeugt, dass du dein Bestes getan hast, aber du darfst dir keine Vorwürfe machen. Die stinkende Schwarzfäule, so sagt man, kommt wie ein Wolf in der Nacht und stiehlt auch den besten Ärzten Menschen.«
»Und was kannst du tun?«, fragte Septimus.
»Ich werde Magie und Heilkunst verbinden. Julius – der liebe Julius – hat mich das gelehrt. Es ist eine mächtige Kunst. Julius und Marcellus haben sie gemeinsam erschaffen. Werden Magie und Heilkunst zusammen angewendet, ist die Wirkung stärker, als man erwarten würde. Es war das Letzte, was ich gelernt habe. Am letzten Tag vor der Losziehung hat mir Julius gezeigt, wie man sie kombiniert...« Syrahs Stimme verstummte einen Moment, als sie sich in ihren Erinnerungen verlor.
Zehn Minuten später war Feuerspei von einem magischen Kokon umhüllt. Septimus hatte zugesehen, wie Syrah die stinkende Schwarzfäule in eine Wolke übel riechenden schwarzen Dampfes auflöste, dessen Gestank noch in der Luft hing, als sie fast fertig war. Sie hatte wie ein geschickter Chirurg gearbeitet, und er hatte ihr aus Marcias Überlebenspaket für den Offiziersanwärter der Jungarmee in Feindesland verschiedene Messer, Gabeln und Löffel gereicht, mit denen sie allerlei unaussprechliche Dinge herausgeschabt hatte (Septimus nahm sich fest vor, auf dieses Besteck beim Abendessen zu verzichten). Dann hatte sie ein paar Tropfen eines grünen Öls aus einer kleinen Silberphiole in die Wunde geträufelt und einen magischen lila Nebel mit einem Stich ins Grüne erzeugt. Der Nebel legte sich über den verletzten Schwanz und überzog ihn mit einem schimmernden, durchsichtigen Gel – so etwas hatte Septimus noch nie gesehen. Als das Gel erstarrt war, zeigte ihm Syrah, dass sich die schwarzen Schuppen bereits wieder grün färbten, und noch während er hinsah, begann wieder Fleisch über die Knochen zu wachsen. Ein sauberer, frischer Pfefferminzgeruch hing jetzt in der Luft.
»Nimm«, sagte Syrah und reichte ihm die Silberphiole. »Sie enthält ein Extrakt, das die Heilung beschleunigt. Wie ich sehe, sind seine Flügel an mehreren Stellen eingerissen. Wenn er wieder bei Kräften ist, bringst du ihn irgendwohin, wo er seine Flügel ausbreiten kann, und träufelst einen Tropfen Öl auf jeden Riss – sie werden wieder zusammenwachsen. Aber jetzt soll er erst mal schlafen, solange sein Schwanz heilt.« Sie lächelte zum ersten Mal. »Sei unbesorgt, Septimus. Er wird am Leben bleiben.«
»Oh, ich ... äh ... danke!« Von seinen Gefühlen überwältigt, rannte er davon und holte den Wasserzwerg.
Diesmal trank Feuerspei. Er trank, bis Septimus vom Halten des unhandlichen Zwergs der Arm wehtat, aber das kümmerte Septimus nicht. Feuerspei würde am Leben bleiben, und nur darauf kam es an.
Syrah sah zu, wie Feuerspei trank. Als Septimus den Wasserzwerg schließlich absetzte, sagte sie: »Marcellus hat Julius zum Mittwinterfest einen geschenkt, aber der war nicht so wie dieser, sondern ziemlich ...«
»Rüpelhaft?«, fragte Septimus.
»Ja.« Wieder lächelte Syrah.
Septimus schüttelte den Kopf. All seine Gewissheiten gerieten ins Wanken. Marcellus hatte einen rüpelhaften Wasserzwerg verschenkt – wenn das möglich war, war alles möglich.
»Ich habe mein Versprechen eingelöst«, sagte Syrah. »Nun wirst du dein Versprechen einlösen.«
»Ja«, erwiderte Septimus. »Das werde ich. Was verlangst du?«
»Hast du noch deinen Alchimie-Schlüssel?«
Septimus stutzte. »Ja. Aber woher weißt du, dass ich den Schlüssel überhaupt bekommen habe?«
»Jeder hat es gewusst«, sagte Syrah, und ihre Augen leuchteten auf bei der Erinnerung an glücklichere Tage. »Als du plötzlich fort warst, dachten die meisten Leute, du seiest weggelaufen, aber im Zaubererturm erzählte man sich, Marcellus hätte dir den Schlüssel gegeben und eine geheime Abmachung mit dir getroffen. Wochenlang wurde über nichts anderes gesprochen.«
Septimus schmunzelte. Im Zaubererturm hatte sich offenbar nichts geändert – bis heute wurde dort geklatscht und getratscht wie nirgendwo sonst.
»Aber Marcellus wollte nicht darüber sprechen, nicht einmal mit Julius, der sein bester Freund war. Ich glaube, Julius war deshalb gekränkt.« Syrah sah traurig aus, als sie an ihren geliebten Julius dachte. »Würdest du mir den Schlüssel bitte zeigen?«, fragte sie. »Ich würde ihn gern sehen.«
Septimus fasste unter seinen Kittel, zog den Alchimie-Schlüssel hervor, den er um den Hals trug, und hielt ihn Syrah hin, sodass sie ihn betrachten konnte. Die schwere goldene Scheibe glänzte im Sonnenlicht. Ihre deutliche Ausbauchung war mit dem alchimistischen Symbol für die Sonne – und für Gold – geschmückt, einem Kreis mit einem Punkt in der Mitte.
»Er ist wunderschön, sagte Syrah.
»Ja, das ist er. Also ... was soll ich für dich tun?«, fragte Septimus und schob den Schlüssel unter den Kittel.
»Komm mit, dann erkläre ich es dir. Dein Drache – Feuerspei – wird schlafen, bis wir wiederkommen.«
Septimus tätschelte Feuerspei zum Abschied die Nase, dann sprang er hinter Syrah auf den Strand hinunter und folgte ihr in die Dünen.
Um Feuerspei war ihm jetzt nicht mehr bange, dafür aber um sich selbst.